Zweinutzungshuhn – nicht neu und innovativ, aber überzeugend und verantwortlich
Noch in den 60er Jahren lebten Hühner als Schar auf kleinen Höfen. Die Hennen legten Eier, Glucken brüteten einen Teil davon aus. Weibliche Küken wuchsen nach dem Schlüpfen zu Hühnern heran und legten wiederum Eier. Männliche Küken wurden zu Gockeln und deckten den Tisch irgendwann als Brathähnchen. Im Grunde genommen handelte es sich bei dieser traditionellen Haltungsform um Zweinutzungshühner!
Der Grosserhof und der Seepointerhof sind dazu zurückgekehrt. Ihre Hennen legen wie auf jedem Hühnerhof Eier. Aus den bebrüteten Eiern schlüpfen Küken, männliche wie weibliche und deren Zukunft ist wie die ihrer Vorfahren. Diese Haltungsform ist selten geworden, weil sie schlicht unrentabler ist. Heute sind die meisten Hennen in der Eierproduktion Hybridhühner, gezüchtet auf Höchstleistung in der Eierproduktion. Zweinutzungshühner erreichen eine niedrige Leistung als die in Eier- und Fleischrassen unterschiedenen Hybrid-Artgenossen. Die Hähne brauchen bis zur Schlachtreife doppelt solange, also 64 statt 32 Tage und setzen etwas weniger Fleisch an. Die Hennen legen im Vergleich jährlich rund 60 Eier weniger. Dafür sind Zweinutzungshühner in ökologischer Haltung deutlich vitaler. Auch sagt man ihnen einen ausgewogeneren Charakter und ein entspannteres Verhalten in der Herde nach. Trotzdem bleibt der wirtschaftliche Nachteil für den Landwirt. Warum also halten der Grosserhof und der Seepointerhof aus Überzeugung Zweinutzungshühner?
Das müssen wir uns genauer anschauen!
Die ursprüngliche Haltungsform verlor sich mit der Industrialisierung der Eiererzeugung ab den 60er Jahren. Im Mittelpunkt stand die Wirtschaftlichkeit. Eine Henne sollte möglichst viele Eier legen und ein Masthähnchen so viel Fleisch wie möglich ansetzen. Hennen wurden in erster Linie als Produktionsmittel gesehen, eine Perspektive, bei der der Respekt vor den Tieren in den Hintergrund tritt. Die Hennen wurden immer weiter zu Hochleistungshühnern optimiert. Dies nahm völlig neue Ausmaße an, als die Idee entstand, das Prinzip der Hybridzüchtung vom Mais auf das Huhn zu übertragen. Aus technischer Sicht handelt es sich dabei um komplizierte Kreuzungen zwischen verschiedenen und bereits optimierten Hühnerrassen. Hochspezialisierte Genetiker arbeiten bis heute ständig an der Verbesserung unter Anwendung moderner Zuchtmethoden und geplanter Selektion. Das Ergebnis ist ein ‚Kunstprodukt‘ wie es sich auf natürlichem Wege nicht entwickeln würde. Das rüstet die Tiere mit genetischen Voraussetzungen, die vor allem eines im Fokus haben, den großen Hunger der Menschen nach Eiern und Fleisch zu stillen. Bis heute sind diese Kreuzungen ein streng gehütetes Geheimnis der jeweiligen Unternehmen, die Hybridhühner entwickeln.
Kein Platz für Tierschutz
Nun könnte man auf den ersten Blick meinen, dass nichts dagegen spricht, geschickt zu kreuzen. Aber das tut es in diesem Fall leider doch, vor allem, wenn einem der Tierschutz am Herzen liegt. Diese Entwicklung führte zu einer klaren Differenzierung in wirtschaftlich und unwirtschaftlich. Entweder gibt das Huhn viele Eier oder es setzt ordentlich Fleisch an, beides in einer Rasse vereint geht nicht. Hähne bleiben bei dieser Form der Hybridhühnerhaltung auf der Strecke. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass aus den Eiern der Hennen sowohl weibliche als auch männliche Küken schlüpfen. Die männlichen Nachkommen sind aus unternehmerischer Sicht unrentabel. Kosten aus Haltung und Fütterung rechnen sich nicht. Das führt dazu, dass in Deutschland jährlich 45 Millionen männliche Küken getötet werden, also täglich über 126.000. Man nennt sie ‚Eintagsküken‘, während die weiblichen ‚Stubenküken‘ heißen. Dieser Name ist Programm, was die Zukunft des gefiederten Nachwuchses betrifft. Und das ist noch der freundliche Ausdruck. Die männlichen Küken zählen zum Merzvieh, dem Teil von Nutz- und Zuchttieren, der aufgrund mangelnder Qualitäten getötet wird. Darauf geht übrigens auch der Begriff ‚ausmerzen‘ zurück. Das Leben dieser Küken findet binnen 24 Stunden sein Ende.
Für die Landwirte ergibt sich aus der Haltung von Hybridhennen noch ein anderer Aspekt. Die Küken werden fast ausschließlich von Großunternehmen produziert. Aus den Eiern der eigenen Hennen können sie wegen der genetischen Zusammenhänge keinen Nachwuchs ziehen. Sie müssen also bei den Konzernen Jungvieh kaufen, die die Hybridhennen entwickelt haben.
Schwesterliche Solidarität
Vom Stier haben wir schon ein klareres Bild. Jeder, der vor einem Stier steht, hat ordentlichen Respekt. Und das ist auch gut so. Ein Stier oder auch Bulle ist ein geschlechtsreifes männliches Hausrind. Mit seinen 1000 bis 1200 kg ist er ein beeindruckendes Kraftpaket. Die individuelle Hormonlage eines Stiers macht seinen Charakter aus. Besonders achtsam ist man sehr leidenschaftlichen Tieren gegenüber. Es gibt aber auch entspannte Vertreter. Nicht jeder Stier sieht rot. Die Aufgabe des Stiers erklärt sich von selbst: er sorgt potent für den Erhalt der Herde.
Erwähnt werden sollte hier auch noch ein anderes Projekt: die Bruderhahn-Aufzucht! Dabei handelt es sich um Initiativen, die sich dem Töten der männlichen Küken auf andere Weise widersetzen. Sie ziehen die männlichen Nachkommen der leistungsstarken Hybridrassen mit auf und nehmen die unwirtschaftlichen Umstände in kauf. Diese Initiativen setzen auf bewusste Konsumenten, die bereit sind, für die Eier einige Cent mehr zu zahlen. Mit diesem Ertrag finanzieren die Hennen quasi das Leben ihrer Brüder.
Bedenkt man diese Zusammenhänge, schmeckt das Frühstücksei von einer solchen Hybridhenne so manch einem gleich nicht mehr so gut. Liegt einem das Tierwohl am Herzen macht es Sinn, sich beim Einkauf genauer anzuschauen, woher die Eier stammen. Es ist so einfach, gut zu entscheiden und auf diese Weise aktiv Einfluss auf die Haltungsbedingungen des Federviehs zu nehmen. Die Nachfrage regelt den Markt! Das bedeutet: angeboten wird nur, was auch gekauft wird.
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