Anfang der 1980er-Jahr nutzten Bürgerinnen und Bürger intensiv das Demonstrationsrecht, um ihrer Haltung Nachdruck zu verleihen und politisch etwas zu bewirken. Im Fokus standen Themen wie die Stationierung von Atomraketen, der Bau von Atomkraftwerken oder das Waldsterben. In der Region Erding/Freising bewegte die Menschen der Bau des Münchner Großflughafens im Erdinger Moos. Sie gingen auf die Straße, um ihr Veto einzulegen, konnten sich am Ende jedoch nicht durchsetzen. Der Flughafen wurde gebaut.
Aus dem gemeinsamen Engagement wuchs ein Zusammenschluss von AktivistInnen, die ihre Energie in ein konstruktives, praktisches Projekt investierten: Sie bauten eine Vermarktungsorganisation für regionale Bioprodukte auf. Zunächst als Einkaufsring auf privater Basis umgesetzt, gründete sich daraus am 30. August 1984 die ‚Verbraucher- und Erzeuger Genossenschaft TAGWERK eG‘.
47 VerbraucherInnen und 4 Biobauern nahmen an der Gründungsversammlung in der Erdinger Bahnhofswirtschaft teil. Biobauern waren damals noch seltene Pioniere, die sich der wachsenden Idee einer chemiefreien, naturgemäßen Landwirtschaft zuwandten. Ihre Produkte mussten sie mangels einer geeigneten Absatzstruktur weiterhin über den konventionellen Handel vermarkten. Die Friedens- und Ökobewegung sensibilisierte viele VerbraucherInnen für die Zusammenhänge regionaler Kreisläufe und biologischer Landwirtschaft. Ihr Wunsch nach unbelasteten Lebensmitteln wuchs.
Daraus wurde die TAGWERK Kernidee geboren, bewusste Verbraucher und bewusste Biobauern zusammenzubringen.
Kein Geldgeber hätte in ein Projekt investiert, das auf absehbare Zeit keinen Gewinn versprach. Auch staatliche Fördermittel standen nicht zur Verfügung. Die Gründung einer Genossenschaft war die Lösung zur Finanzierung der TAGWERK Idee. Der Wert eines Anteils von 100 DM hielt das Risiko gering. Viele unterstützten die Idee und kauften Anteile. So konnte das Startkapital für einen gebrauchten Lieferwagen und die Grundausstattung aufgebracht werden.
Das erste Lager fand seinen Platz in einem alten Kuhstall, der zum Anwesen von Franz und Christa Leutner in Prenning bei Dorfen (siehe Foto) gehörte. Improvisation war angesagt! Die benötigte Ausstattung wurde gebraucht gekauft, vieles mit einfachen Mitteln selbergemacht.
In den folgenden Jahren wuchs TAGWERK rasant, gewann viele neue Mitglieder und viele umstellungswillige Bauern dazu. Die Atomkatastrophe von Tschernobyl im Frühjahr 1986 löste einen besonderen Schub für die TAGWERK Entwicklung aus. Viele Menschen setzten sich anlässlich des nuklearen Fallouts mit grundsätzlichen Gedanken über die Ernährung auseinander.
In vielen Orten der Umgebung entstanden private Verteilerstellen für TAGWERK Lebensmittel, meist in Garagen oder Kellerräumen. Der erste richtige TAGWERK-Laden öffnete im November 1986 in Dorfen seine Tore. In rascher Folge entstanden weitere Läden, jeweils betrieben von Aktiven vor Ort: in Landshut-Siebensee, Moosburg, Erding, Markt Schwaben, Freising, Landshut-Zentrum, vorübergehend auch in Wartenberg, Isen und Ebersberg.
Das schnelle Wachstum brachte Chancen und Herausforderungen mit sich. Einerseits etablierte sich TAGWERK und seine Idee, andererseits kam es zur Überforderung der Strukturen und des Idealismus der AkteurInnen. Arbeit und Kosten stiegen, gleichzeitig wuchsen die Verluste und drohten das Eigenkapital aufzufressen. TAGWERK musste geschickt reagieren.
Dies gelang über verschiedene Maßnahmen. Ein Mitarbeiter übernahm privat den Gemüsehandel und führte ihn auf eigenes Risiko weiter. Die Genossenschaftsanteile wurden von 100 auf 200 DM aufgestockt und die Mitglieder gebeten, die Differenz nachzuzahlen. Als dritte und wirksamste Maßnahme wurden dann die Läden wirtschaftlich selbstständig: MitarbeiterInnen übernahmen sie als Lizenzbetrieb, dessen Vertrag die Bindung an die Genossenschaft regelte.
Die Kombination dieser Maßnahmen stellte TAGWERK auf wirtschaftlich neue, tragfähige Beine und rettete die Idee.
Von da an konzentrierte sich die Genossenschaft auf die Großhandelstätigkeit. Ein neues Hauptlager wurde Ende 1998 bezogen, ein von einem Münchner Geschäftsmann erbautes Gebäude in der Siemensstraße in Dorfen. In diesem ‚TAGWERK-Zentrum‘ siedelte sich auch die Geschäftsstelle des TAGWERK-Fördervereins mit an. Außerdem bot das Haus mit einem Seminarraum und einem Hotel Garni viele Möglichkeiten, Gäste zu empfangen und Veranstaltungen durchzuführen.
Mit der weiteren Entwicklung reichte der Platz im TAGWERK Zentrum nicht mehr. Mit dem Ende des Mietvertrags wurde der Großhandel der Genossenschaft und der TAGWERK Gemüsegroßhandel zur TAGWERK Großhandel für Naturkost GmbH zusammengeführt, ansässig in Garching bei München. Dies stellte einen wesentlichen Schritt zu einer professionellen und rationell arbeitenden Regionalvermarktung dar. Gesellschafter der GmbH sind zu 50% die TAGWERK-Genossenschaft und zu 50% der Naturkostgroßhandel BODAN.
Anfang 2017 zog das Warenlager von Dorfen nach Garching. Die Büros der TAGWERK Genossenschaft und des TAGWERK Fördervereins fanden in Algasing bei Dorfen ihren Sitz.
TAGWERK hat sich im Lauf der Jahre professionell entwickelt. Doch die wachsende Konkurrenz auf dem Markt stellt TAGWERK immer wieder vor neue Herausforderungen, sich am Markt zu behaupten. Denn Bio gibt es heute überall – das ist auch ein Erfolg der Pionierarbeit, die TAGWERK geleistet hat. Allerdings kann TAGWERK mit gewichtigen Merkmalen punkten, die andere Naturkostgroßhändler nicht in dem Maße aufweisen können:
Eine detaillierte TAGWERK-Chronologie findest du hier
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